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14. Juni 2021Wenn Maschinen nach langjährigem Einsatz wieder zurück nachhause dürfen, werden sie zuvor noch runderneuert. Dieses Retooling bezeichnet der CEO der Firma GST Grinder GmbH, Günter Hacker als: “Das ist wie Modellbau, nur in groß”. In diesem Beitrag blicken wir am Beispiel einer Schleifmaschine der Automobilfertigung hinter die Kulissen des Retoolings. Diese Maschine bereitet die GST demnächst auf.
Rund um die Uhr im Einsatz
Schleifmaschinen in der Automobilindustrie laufen 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche. Diese enorme Belastung muss schon bei der Konstruktion solcher Maschinen berücksichtigt werden. Damit diese Maschinen aber auch lange halten, brauchen sie regelmäßige Pflege. Trotzdem ist meist nach 20 bis 30 Jahren Schluss, und die Maschine wird im Bereich der qualitätsrelevanten Mechanik völlig neu aufgebaut, will sie weiter in Verwendung bleiben. Der Fachbegriff für einen solchen Umbau oder Neuaufbau heißt “Refurbishment”, oder wenn auch Werkzeuge bzw. andere Werkstücke bearbeitet werden “Retooling”.
Die Firma GST Grinder GmbH im österreichischen Sierndorf bei Wien hat sich auf dieses Retooling spezialisiert. Zwar fertigte das Unternehmen auch schon immer Neumaschinen, passgenau nach Kundenanforderungen. Doch, wenn man genau weiß, wie die Mechanik läuft, welche Belastungen wo auftreten und wie man Maschinen derart stabil ausführt, dass sie über Jahrzehnte hinweg ihren Dienst tun können, dann hat man auch die Experten für einen Umbau, für das Retooling der Maschine bei der Hand.
Mit Retooling ist per Definition das Umrüsten von Produktionsprozessen gemeint. Bestehende Werkzeugmaschinen werden so umgebaut, dass sie neue Werkstücke erzeugen, und für die Produktion neuer Bauteile oder neuer Bearbeitungsprozesse geeignet sind. Die Hülle bleibt bestehen, das Innenleben der Werkzeugmaschine oder auch Schleifmaschine wird erneuert.
Retooling verlängert die Lebenszeit
Hacker erzählt uns von einer Schleifmaschine, die demnächst fürs Retooling nach Österreich zur GST kommt. Sie steht momentan noch in China und war dort über 10 Jahre an einer Produktionsstätte von Volkswagen im Einsatz. Die Maschine produzierte Antriebswellen für Verbrennungsmotoren.
Beim Volkswagen-Konzern ist es üblich, Maschinen länger als nur für den ursprünglich konzipierten Einsatz in Produktion zu halten. Solche Maschinen werden auf einer konzerninternen Plattform für gebrauchte Werkzeugmaschinen zum Verkauf als Gebrauchtmaschine angeboten. Andere Fertigungsstandorte von Volkswagen können so auf diese Maschinen zugreifen und sie nach einem Retooling für ihren Bedarf neu einsetzen.
Besagte Schleifmaschine, die von der GST umgebaut wird, geht also für rund 60.000 Euro zurück nach Deutschland. Sie legt ab Herbst einen mehrmonatigen Zwischenstopp in Sierndorf bei Wien ein. Die GST rüstet diese Schleifmaschine für den Produktionsprozess von e-Wellen für Elektroantriebe um.
"Refurbished" bedeutet "generalüberholt". Es handelt sich dabei um eine gebrauchte Ware, die nicht von einem Neugerät unterschieden werden kann, da sie perfekt überholt und gereinigt wurde. Im Kontext des Refurbishments von Schleifmaschinen ist damit ein kompletter Umbau oder Neuaufbau der Schleifmaschine gemeint.
Wie läuft so ein Retooling ab?
Die Werkzeugmaschine wird im ersten Schritt zur GST nach Sierndorf geliefert. Dort findet der eigentliche Umrüstprozess statt, der durchaus mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Schließlich wird die gesamte Schleifmaschine zerlegt. Alle Baugruppen werden auf ihre Funktionstüchtigkeit hin geprüft und bei Bedarf ersetzt.
Blick ins Innere einer SMW-Schleifmaschine, bevor sie einem Retooling unterzogen wird. Foto: GST.
Zerlegen der Maschine, Teile erneuern
Im ersten Schritt zerlegen die Schlosser und Mechaniker der GST die Schleifmaschine. Daraufhin folgt die Überarbeitung der Baugruppen wie Lager und Führungen. Auch die Antriebsysteme werden erneuert.
Nachdem die zu überarbeitende Schleifmaschine vollständig zerlegt wurde, steht sie total “nackt” in der Halle, während sich die Profis um ihr Innenleben kümmern. Foto: GST.
Die Elektriker ersetzen die während der Laufzeit der Maschine brüchig gewordenen Kabel, da die Weichmacher in den Kabeln nach vielen Jahren des Einsatzes nicht mehr vorhanden sind. Sie haben sich verflüchtigt. So wird die gesamte Verkabelung komplett erneuert.
Die Überarbeitung der Schleifmaschine ist eine mechanisch und elektrisch sehr intensive Tätigkeit.
CEO Günter Hacker
Neuzusammenbau und Programmierung
Ist der Zusammenbau der Werkzeugmaschine abgeschlossen, kommen die Programmierer zum Zug. Ein neues Programm wird eingespielt und die Schleifmaschine auf ein neues Teil eingefahren.
Im Anschluss kommt es zur Abnahme der überarbeiteten Schleifmaschine durch den Kunden. Dabei spielt die angestrebte Taktzeit eine große Rolle.
Nach vollzogenem Retooling steht die Schleifmaschine wie neu da. Mit der Programmierung einer neuen Steuerung wird der Retooling-Prozess abgeschlossen. Foto: GST.
Taktzeiten bestimmen das Retooling
Im Zuge eines Retoolings werden die runderneuerten Schleifmaschinen auch immer auf neue Taktzeiten eingefahren. Es macht nämlich einen Unterschied hinsichtlich ihrer Produktivität, ob die Schleifmaschine 500 oder 1.200 Teile pro Tag fertigt. Gängige Taktzeiten für Schleifprozesse liegen zwischen 25 Sekunden und bis zu über einer Minute pro Werkstück, erklärt Günter Hacker.
Was kostet ein Retooling?
Die Kosten für einen solchen Umbau einer Werkzeugmaschine belaufen sich auf 30.000 Euro bis 800.000 Euro, sagt Hacker. Der Umfang der Maßnahme macht dabei den Preis. Denn das Retooling ist von der einfachsten Variante bis zu einem kompletten Neuaufbau der Schleifmaschine möglich. Dabei sagt der Kunde, was er braucht, und die GST passt das Retooling kundenspezifisch an.
Bei einem kleinen Retooling wird nur das Werkzeug an einer Schleifmaschine gewechselt, und neue Einstellungen werden vorgenommen. Das ist der Fall, wenn der Umbau mit der gleichen Teilefamilie erfolgt.
Bei einem großen Refurbishment können schon mal die gesamte Steuerung, der Antrieb und alle Baugruppen komplett neu aufgesetzt werden.
Deswegen ist es auch so wichtig, dass die Maschinenbau-Profis die Prozesse der Maschine, ihre Mechanik, Elektrik und die Programmierung genauestens kennen.
Wir bauen Schleifmaschinen, die immer Werkstück spezifisch sind. Wir bauen genau nach Kundenanforderungen. Deswegen können wir auch ein passgenaues Überarbeiten anbieten, weil wir die Prozesse der Maschine so gut kennen.
CEO Günter Hacker
Mehrere Jahrzehnte Laufzeit
Auf die Frage, wie lange in der Regel solche Schleifmaschinen im Einsatz sind, berichtet Günter Hacker von mehreren Jahrzehnten. Bei guter Pflege laufen diese Maschinen über dreißig Jahre ohne nennenswerte Probleme zu verursachen. Wird die Maschine vorschriftsmäßig serviciert, bewegen sich die Kosten für Ersatzteile im unteren fünfstelligen Bereich.
Die GST hat Maschinen gebaut, die seit 26 Jahren laufen. Für GST-Maschinen ist eine stabile Ausführung eine Grundbedingung, weil man weiß, dass sich ihre Laufzeit mit einem Retooling um viele Jahrzehnte verlängern lässt. Und die Schleifmaschinen dadurch immer effizienter und wirtschaftlicher werden.
Obsoleszenz ist ein Thema bei der GST
Hacker erklärt, Maschinen werden generell danach bewertet, ob sie unauffällig sind. “Je weniger Probleme eine Maschine macht, desto besser kommt sie in der Produktion an”, sagt Hacker.
Sein Herz schlägt für das Obsoleszenz-Management. Denn was gut läuft, kann immer noch überarbeitet und für die Produktion neuer Werkstücke umgerüstet werden.
Obsoleszenz-Management – Unter Obsoleszenz wird die Nichtverfügbarkeit von Material, Komponenten, Prozessen, Produkten und Wissen verstanden. Von Obsoleszenz sind vor allem die Elektronik, Mechanik und Software betroffen. Das Obosoleszenz-Management (OM) vermeidet oder minimiert die Folgen einer solchen Nichtverfügbarkeit. OM ist nicht neu und in der Wehrtechnik, dem Schienenverkehr, der Luftfahrt und der Kraftwerkstechnik genormt (DIN EN 62402). Auch im Anlagen- und Maschinenbau wird OM zunehmend Thema, um bei Komponenten und Baugruppen eine langjährige Verfügbarkeit von Ersatzteilen sicherzustellen. Quelle: Obsoleszenz-Management.
Die älteste Maschine, für deren erweitertes Retooling, also das Refurbishment die GST beauftragt wurde, ist über 120 Jahre alt. Ursprünglich als Stanzmaschine 1895 gebaut, hauchte ihr die GST vor 20 Jahren neues Leben ein. Die Mitarbeiter der GST mussten sich für diesen Auftrag mechanisch schon sehr gut auskennen. Trotzdem konnte dieses Urgestein einer Werkzeugmaschine mit einer neuen Steuerung wieder neues Leben eingehaucht werden. Das Refurbishment war zwar sehr einstellungsintensiv, doch diese Maschinen bringen heute noch immer ihre Leistung, gibt sich Hacker überzeugt.
Es ist sehr schön, dass diese Leute den Wert der Maschine erkennen.
CEO Günter Hacker zum Refurbishment der über 120 Jahre alten Werkzeugmaschine
Was lange hält, ist wirtschaftlich nachhaltig
Mit der Philosophie, eine Schleifmaschine zu überarbeiten und sie so für viele weitere Jahre zum Einsatz zu bringen, zeigt die GST auch ihr innerstes Anliegen: das Obosleszenz-Management. Hacker erklärt, beim Neubau von GST-Maschinen achte man immer darauf, wo man nachbessern kann, damit die Maschinen auch wirklich lange laufen.
Beim Neubau von Schleifmaschinen legt die GST sehr viel Wert auf Ressourcenschonung. Man denkt zudem ein zukünftiges Retooling schon von Beginn an mit, was die Lebenszeit der Werkzeugmaschine deutlich verlängert. Foto: GST.
Die GST-Maschinen werden dichter am Werkstück konstruiert. Anstatt zwei Maschinen zu bauen, setzt die GST damit auf eine integrierte Automation und hohe Langlebigkeit der Schleifmaschine selbst. Das macht dann später ein Retooling ökonomisch vertretbar, für das es heute sogar einen Trend zu verzeichnen gibt. Langlebigkeit schaffen und umbauen können, statt hohem Ressourcenverbrauch und Wegwerfmentalität, das ist das Motto der GST.
Wir sind der einzige Neumaschinenanbieter, der auch Retooling für andere Marktbegleiter macht. Wir reparieren auch andere Maschinen.
CEO Günter Hacker
Zusammenfassung Retooling bei der GST
Die Begeisterung, aus älteren Schleifmaschinen das Beste für ihren Einsatz in modernen Produktionsstraßen herauszuholen, ist der GST und CEO Günter Hacker quasi in die Wiege gelegt. Das spürt und sieht der Kunde, wenn er dem österreichischen Spezialisten einen Retooling-Auftrag erteilt. Blitzblank und mit modernster Technik umgebaut, gehen die so überholten Schleifmaschinen wieder an die Arbeit.
Ressourcen werden bei der GST nicht nur durch ein hochqualitatives Retooling und Erneuern von gebrauchten Schleifmaschinen eingespart. Auch beim Bau von Neumaschinen packt die GST soviel wie möglich in eine Maschinenlösung hinein. Wo andere zwei Schleifmaschinen bauen müssen, liefert die GST das in einem Stück aus. Aber das ist eine andere Geschichte, die wir Ihnen ein anderes Mal erzählen werden.
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